Aktuelles

Patentanmeldung Virtual Infrastructure: erfinderisch?



Patentanmeldung Virtual Infrastructure - erfinderisch?

Der virtuelle Raum ist nicht nur im Zusammenhang mit dem META Universum von Facebook allgegenwärtig. Vielmehr ist gerade für die Industrie ein sogenannter Digitaler Zwilling ein wichtiges Element in Strategie und Forschung und Entwicklung. Wir nehmen dies zum Anlass, über die aktuelle EPA Entscheidung Virtual Infrastructure als Fallbeispiel zu berichten.

Die streitgegenständliche Patentanmeldung Virtual Infrastructure beschreibt ein Verfahren zur Bereitstellung einer virtuellen Infrastruktur und deren Steuerung.
Die virtuelle Infrastruktur ist demnach einem oder mehreren Eigentümern zugewiesen, und durch das zum Patent angemeldete Verfahren kann über einen Kontrollserver gesteuert werden, dass die virtuelle Infrastruktur an einen oder mehrere Mieter ausgegeben wird auf der Grundlage einer hierarchischen Eigentümeranordnung.

Patentanmeldung Virtual Infrastructure: Erfinderisch?


Gegen diese Patentanmeldung Virtual Infrastructure gab es von Seiten des Europäischen Patentamts Einwände. Die Prüfungsabteilung bemängelte, im Wesentlichen sei die Erfindung bereits in D1 offenbart worden, es liege kein erfinderischer Schritt vor (Erfordernis des Artikels 56 EPÜ).
Eine der Beschwerdekammern des EPA entschied vor wenigen Wochen über die Beschwerde gegen diese Entscheidung.

Die Entgegenhaltung Dokument 1 ist ein US Patent mit dem Titel Control Server, Service Providing System, And Method of Providing a virtual Infrastructure (D1, das US 2012/158938). Sowohl D1 als auch das streitgegenständliche Patent zeigen ein Verfahren zur Bereitstellung einer virtuellen Infrastruktur auf der Grundlage einer Infrastruktur physischer Ressourcen durch einen Kontrollserver. Der unstreitige Unterschied zwischen ihnen ist vor allem die Einstufung der Parteien als Eigentürmer bzw. Mieter, denen die virtuelle Infrastruktur zugewiesen wird.

Doch ist dieses Merkmal überhaupt technisch?

Die Beschwerdekammer des EPA war davon nicht überzeugt. Nach ihrer Ansicht ist die Einstufung der Parteien kein technisches Merkmal der Parteien, sondern ein rein administratives/geschäftliches Merkmal. Als solches kann es nicht berücksichtigt werden für die Frage nach dem erfinderischen Schritt. Dafür spreche auch, dass in der Beschreibung die Parteien u. a. als Mieter von Geschäftseinheiten, Großhandelseinheiten und Einzelhandelseinheiten bezeichnet werden.

Die Einstufung der Parteien und Zuweisung der Virtual Infrastructure sei technisch, widersprach die Patentanmelderin Alcatel Lucent (Frankreich), denn es handele sich dabei um einen Supervisor, der einen Überblick über alle Eigentümer habe. Doch die Eigentümer hätten die primäre Entscheidungsbefugnis darüber, welchen Mietern sie die Ressourcen zuwiesen.
In D1 dagegen würden alle virtuellen Infrastruktur-Ressourcen direkt durch den Kontrollserver zugewiesen.

Die Beschwerdekammer widersprach dieser Argumentation mit folgenden Überlegungen:

1. In D1 sind die virtuellen Infrastrukturbereitstellungseinheiten zwar im Kontrollserver enthalten. Die Zuweisung der virtuellen Infrastruktur-Ressourcen werde jedoch von den virtuellen Gerätebereitstellungseinheiten vorgenommen.

2. In der streitgegenständlichen Patentanmeldung dagegen kann eine Zuweisung durch eine Partei an eine andere Partei nicht ohne die Beteiligung des bereitstellenden Geräts erfolgen (siehe "cause the apparatus.. to control allocating..." in Anspruch 1). Es gebe daher keine vollständige Delegation von Befugnissen vom bereitstellenden Gerät an eine Partei für die Zuweisung von virtueller Infrastruktur.

Patentanmeldung Virtual Infrastructure: vage definiert


Zudem seien die Eigentümer und Mieter weit gefasst und vage definiert worden. In Bezug auf die virtuelle Infrastruktur sei demnach ihre Funktionalität in den virtuellen Infrastrukturbereitstellungseinheiten zu sehen.

Diese Einheiten sind laut streitgegenständlicher Patentanmeldung hierarchisch organisiert, und das sei auch in D1 der Fall. Darüber hinaus können die virtuellen Infrastrukturbereitstellungseinheiten in D1 selbst anderen virtuellen Infrastrukturbereitstellungseinheiten virtuelle Objekte zuweisen.

Das zusätzliche Merkmal, das über den Hilfsantrag 2b zugefügt wurde (dass die Vorrichtung die Zuteilung von virtualisierten Infrastrukturressourcen durch einige Mieter an andere Mieter steuert) konnte daher auch nicht überzeugen. Es sei von D1 ableitbar, entschied die Beschwerdekammer und wies die Beschwerde vollständig zurück (T 0298/21 (Network infrastructure virtualization/ALCATEL) 03-05-2023).

Die Patentanmeldung Virtual Infrastructure erfülle nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ im Hinblick auf D1 wegen des fehlenden erfinderischen Schritts.

In diesem Kontext ist für Sie vielleicht auch interessant zu lesen:
- Microsoft Synchronisierung – erfinderisch nach G1/19?
- Erfindervergütung im Bereich IT und Cyber Security
- EPA: Cloud Computing und ‚in Echtzeit‘

Fazit


Dieses Fallbeispiel Virtual Infrastructure verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig es ist, dass eine Patentanmeldung fachmännisch ausformuliert wird mit Berücksichtigung der Sichtweise des jeweiligen Patentamts. Und dies ist besonders wichtig bei digitalen Erfindungen. Unser Team hat damit große Erfahrung.

Möchten Sie ebenfalls eine digitale Erfindung zum Patent anmelden oder verteidigen? Nehmen Sie gerne Kontakt zu unserer Kanzlei Köllner & Partner auf, telefonisch unter +49 (0)69 69 59 60-0 oder unter info@kollner.eu.


Mehr News

Unsere Stärken

Next

Kontakt

Wir bevorzugen den persönlichen Kontakt. Bitte zögern Sie nicht, uns per Telefon oder Email zu kontaktieren.

Telefon: +49 (0)69 69 59 60-0
Telefax: +49 (0)69 69 59 60-22
e-mail: info@kollner.eu

Sie finden uns in der Vogelweidstrasse 8 in 60596 Frankfurt am Main