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Priorität in Euro - PCT Anmeldung

EPA G 1/22 und G 2/22



Priorität in Euro - PCT Anmeldung - EPA Entscheidungen G1 22 und G2 22

Das Recht auf die Priorität und die Gültigkeit einer beanspruchten Priorität ist immer wieder Streitthema vor dem Europäischen Patentamt. Mit den Entscheidungen G 1/22 und G 2/22 hat die Große Beschwerdekammer des EPA Fragen zum Recht auf Priorität im Zusammenhang mit einer Euro - PCT Anmeldung aufgegriffen und für Klarheit gesorgt – mit Feststellungen zugunsten von Anmeldern und Patentinhabern.

Priorität in Euro - PCT Anmeldung - der Sachverhalt


Die Entscheidungen G 1/22 and G 2/22 sind Antworten der Großen Beschwerdekammer des EPA auf Vorlagefragen der Technischen Beschwerdekammer 3.3.04 aus den beiden Beschwerdesachen T 1513/17 und T 2719/19.

Folgende Fragen wurde vorgelegt:

Überträgt das EPÜ dem EPA die Zuständigkeit für die Entscheidung, ob ein Beteiligter zu Recht behauptet, Rechtsnachfolger im Sinne von Artikel 87(1) EPÜ zu sein?

Und wenn dies bejaht wird, was gilt dann für eine Euro - PCT Patentanmeldung, wenn der oder die Anmelder der Prioritätsanmeldung und der Euro - PCT Patentanmeldung nicht identisch sind?

In den beiden Beschwerdesachen zu den Vorlagefragen haben sowohl die Einspruchsabteilung als auch die Prüfungsabteilung den Prioritätsanspruch für ungültig erklärt, weil nicht alle Erfinder, die in der US-Prioritätspatentanmeldung als Anmelder genannt waren, den Anmeldern der jeweiligen Euro - PCT Anmeldungen das Prioritätsrecht übertragen hatten.

Wenn also Patentanmelder A in den USA die prioritätsbegründende Anmeldung gemacht hat, für die Euro - PCT Anmeldung sich jedoch der Beteiligte B auf das beanspruchte Prioritätsrecht beruft, um das Prioritätsrecht nach Artikel 87(1) EPÜ in Anspruch zu nehmen: Kann der Beteiligte B wirksam die Priorität beanspruchen?

Entscheidungen G 1/22 und G 2/22 der Großen Beschwerdekammer


Die Große Beschwerdekammer bejahte die erste Vorlagefrage und legte damit fest, dass das EPA über die Wirksamkeit einer Übertragung von Prioritätsrechten entscheiden kann. Das gilt auch im Zusammenhang Priorität mit einer Euro - PCT Anmeldung.

Und die nationalen Gerichte? Es ist nun einmal so, dass die nationalen Gerichte verschiedene Maßstäbe anlegen in Bezug auf die Übertragung von Prioritätsrechten. Und das EPA kann keine höheren Standards als die nationalen Gesetze vorschreiben.

Entsprechend stellte die Große Beschwerdekammer in G 1/22 und G 2/22 fest, dass das EPA keine höheren Maßstäbe anlegen sollte, insbesondere da es sogar nationale Rechtsprechung gibt, die eine nachträgliche ("nunc pro tunc") Übertragung von Prioritätsrechten erlaubt (siehe Randnummer 100 der Entscheidung G1/22 bzw. G 2/22).

Damit wird die Tür für wirksame Übertragungen von Prioritätsrechten vor dem EPA weit geöffnet, klar zugunsten von Patenanmeldern und Patentinhabern.

Konkludente Übertragung des Rechts auf Priorität


Das wirft natürlich die Frage der formalen Voraussetzungen für eine wirksame Inanspruchnahme einer Priorität auf. Und darin begünstigen die Entscheidungen G 1/22 und G 2/22 eine formlose Beanspruchung einer Priorität.

Denn insbesondere heißt es in den Entscheidungen G 1/22 und G 2/22 unter Randnummer 100, dass das autonome Recht des EPÜ nicht vorschreiben sollte, dass die Übertragung von Prioritätsrechten schriftlich erfolgen und/oder von den Parteien unterzeichnet sein muss. Wenn sich also unterschiedliche Anmelder einig sind in Bezug auf das Prioritätsrecht, könnte ein Vortrag, das Prioritätsrecht sei mündlich übertragen worden, vollkommen ausreichen für einen wirksamen Anspruch der Priorität, wenn der/die Anmelder der Prioritätsanmeldung und der europäischen Patentanmeldung nicht identisch sind.

Die Große Beschwerdekammer bestätigt damit den Ansatz einer konkludenten Übertragung. Demnach gilt das Konzept der konkludenten Vereinbarung sowohl für eine später eingereichte Euro - PCT Anmeldung als auch für Mitanmelder, die unmittelbar eine europäische Nachanmeldung einreichen, wenn mindestens einer dieser Mitanmelder Anmelder der Prioritätsanmeldung war (siehe Randnummer 125 der Entscheidung G1/22 bzw. G 2/22).

Umkehr der Beweislast zum Anspruch auf Priorität


Tatsächlich geht die Entscheidung G 1/22 und G 2/22 sogar noch weiter. Denn laut G1/22 und G 2/22 gilt für den Anmelder, der eine Priorität beansprucht, nach dem EPÜ eine "widerlegbare Vermutung", dass er zur Inanspruchnahme einer solchen Priorität zunächst einmal als berechtigt gilt. Praktisch bedeutet dies, dass der Prioritätsanspruch immer als gültig angesehen wird, sobald er geltend gemacht wird - bis zum Beweis des Gegenteils. Und diesen Beweis, dass eine Priorität zu Unrecht beansprucht wurde, müssen die Einsprechenden erbringen, d.h. "die Partei, die den Prioritätsanspruch des späteren Anmelders in Frage stellt " (Randnummer 110 der Entscheidung G1/22 bzw. G 2/22).
Das ist eine erhebliche Kehrtwende zu der bisherigen Rechtsprechung, bei der der Patentinhaber die Beweislast dafür trug, dass der Prioritätsanspruch gültig war, wenn er angefochten wurde.

Und zusammen mit der „Konkludenten Vereinbarung“ stellt sich sofort die praktische Frage:
Wie sollen denn eine Einsprechende bzw. ein Einsprechender je beweisen können, dass es keine rechtmäßige Übertragung von Prioritätsrechten gegeben hat vor Anmeldung einer Europäischen Patentanmeldung, wenn ein solcher Übertrag auch ohne jeden Schriftverkehr anerkannt wird? Auch wenn keine schriftliche Übertragung zu finden ist, könnte ja jederzeit eine mündliche oder sogar tatsächlich stillschweigende Vereinbarung getroffen worden sein oder angenommen werden.

Wie sich das in der Praxis der kommenden nationalen Entscheidungen auswirkt, in denen zum Teil strengere Anforderungen an den Nachweis des Prioritätsrechts gestellt werden, ist noch offen. Interessant ist deshalb eine kürzlich ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

BGH begrüßt die Entscheidungen G1/22 bzw. G 2/22


Der Bundesgerichtshof (BGH) positionierte sich Ende November 2023 zu der G 1/22 und der G 2/22 (BGH, X ZR 83/21). Der BGH begrüßt die Entscheidungen ausdrücklich und bezeichnete sie als „sorgfältig und überzeugend begründet“. Zudem stellt er fest, dass die Feststellungen der Großen Beschwerdekammer „zu lebensnahen und interessengerechten Ergebnissen“ führen. Lesen Sie zu dieser BGH Entscheidung auch gerne unseren Blogbeitrag Priorität nach G1/22 und G2/22 – Zustimmung des BGH.

Obwohl nicht für alle Anmelder Verträge für eine Übertragung der Priorität vorlagen, und obwohl eine der Abtretungsvereinbarungen nach deutschem Recht unwirksam sein könnte, sah der BGH dies nicht als Beweis an, dass die beklagte Anmelderin kein Recht auf die beanspruchte Priorität hatte. Denn es könnten mündliche Vereinbarungen getroffen worden sein.

Sehen Sie sich auch gerne unser Youtube Video über G1/22 und G2/22 an, aus unserem letzten IP Udpate.


Übertragung der Priorität - was folgt aus G1/22 und G2/22?


Grundsätzlich ist es wohl zu empfehlen, das Recht auf Priorität schriftlich zu übertragen oder zu erhalten, bevor eine Patentanmeldung unter Inanspruchnahme einer Priorität eingereicht wird. Denn andere nationale Gerichte können dann eben doch anders entscheiden und nationale Gerichte sind nicht an Entscheidungen des EPA gebunden.

Patentanmelder und Patentinhaber mit Problemen bei der Inanspruchnahme einer Priorität sollten ihre Sachverhalte sorgfältig überprüfen.

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